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5.220m: Mit dem Rad im Reich der Götter


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9 Antworten in diesem Thema

#1 biketourglobal

biketourglobal
  • 42 Beiträge

Geschrieben 12. Juni 2010 - 21:11

Land: China/Tibet
Reisezeit: August 1998
Region/Kontinent: Zentralasien

Beim Durchsehen meiner Reiseordner ist mir ein Artikel in die Hände gefallen, den ich 1998 über meine Himalaya-Überquerung auf dem Weg von Leipzig nach Bombay geschrieben habe.

Ich finde ihn nach wie vor ganz interessant und möchte ihn Euch nicht vorenthalten. Heute ist in dieser Region sicherlich viel passiert und der Fortschritt hat Einzug gehalten (Tibet-Eisenbahn). Aber nach wie vor dominiert die Natur, die unendlichen Weiten und die einzigartige Stimmung im "Reich der Götter".

Mehr Infos zur Transasien-Tour findet ihr auch in den Berichten von unterwegs .

Los gehts...

5.220 m: Mit dem Fahrrad im Reich der Götter

Eine der höchsten Straßen dieser Erde führt in Tibet durch den Himalaya nach Nepal. Auf dieser Strecke zählt der 5220 m hohe „Jia Tsuo Paß“ zu den größten Herausforderungen. Erdrutsche, Geröll, reißende Flüsse und Wetterumschwünge erschweren eine Überquerung, machen diese fast unmöglich. Während unserer Radreise von Leipzig nach Bombay müssen wir auch diesen Pass bezwingen.

Eingefügtes Bild

Höhe 4400m. Temperatur 8 Grad C. Sonne.

Fluchend bremse ich das Rad ab. Wieder kreuzt ein Fluß den Weg. Ich schiebe über Geröll, versinke im Schlamm, reiße das Rad wieder heraus, wate durch eiskaltes Wasser. Aufsteigen, ein Stück fahren, wieder absteigen. Ein Erdrutsch versperrt die Piste. Gepäck abladen, Fahrrad auf die andere Seite tragen, beladen , weiter. Schweiß rinnt mir in die Augen. Pause. Atmen. Seit zwei Stunden kämpfe ich mich nun schon diesen Berg hoch. Mein Blick schweift über das Tal. Zwischen den nur spärlich bewachsenen grauen und schroffen Felsen kann ich keinen Weg erkennen. Weite Geröllfelder unterbrechen die Hänge. Flüsse stürzen sich tosend in die Tiefe. Dunkel droht ein Unwetter aus dem Nachbartal. Die ersten Wolken schwappen träge über den Bergkamm. Wind kommt auf. Mir ist kalt. Weiter.

Eingefügtes Bild


Höhe 4600m. Temperatur 5Grad C. Bedeckt, leichter Regen.


Das letzte Dorf vor dem Paß liegt hinter mir. Wieder keine Versorgungsmöglichkeit. Also kaue ich weiter meine pappigen Kekse. Ich denke an die Strecke die vor mir liegt. Noch über 600 Höhenmeter, dann bin ich auf dem 5220m hohen „Jia Tsuo Paß“. Wenn alles gut geht, schaffe ich das in zwei Stunden. Die Piste wird etwas besser. Immer steiler schmiegt sie sich an den Berg. Je höher ich komme, desto karger wird die Landschaft. Seit Stunden habe ich Stephan nicht mehr gesehen. Hier am Berg fährt jeder für sich allein. Jeder im Duell mit dem Berg. Der Wind wird stärker. Er zerrt am Fahrrad. So habe ich beim Balancieren über Schlammgräben und fußballgroße Steine keine Chance. Das Hinterrad rutscht weg. Ich bremse, springe, fange das Rad ab. Noch mal gut gegangen ! Zwischen Wolkenfetzen denke ich Fahnen zu erkennen. Das muß der Paß sein ! Voller Hoffnung auf das nahe Ziel trete ich in die Pedale. Plötzlich ein Zischen – Platten ! Ein Stein hat sich in das Hinterrad gebohrt. Mir bleibt auch gar nichts erspart. Bei dem Gedanken daran, in diesen Höhen Luft zu pumpen ist mir jetzt schon ganz schwindelig. Ich habe Hunger. Vielleicht hat Stephan noch etwas zu Essen.

Der Regen wird stärker.

Höhe 5000m. Temperatur –1Grad C. Regen. Starker Wind.


Die Fahnen haben sich als eine Herde Schafe entpuppt. Der Hirte verrät mir bei einer Tasse Buttertee, daß es nicht mehr weit ist. Vielleicht eine Stunde zu Fuß. Müde schaue ich den Regentropfen zu, die von meiner Kaputze in den Tee tropfen. Es beginnt zu hageln. Ich breche auf. Selbstverständlich peitscht mir der Wind den Hagel ins Gesicht. Immer wieder reiße ich das Rad herum. Durch den Hagel erkenne ich den Straßenverlauf nicht mehr. Der drohende Abgrund bringt mich zum Schwitzen. Nach einer Stunde läßt der Wind nach. Noch immer sehe ich die Schafherde. Ich scheine nicht vorwärts zu kommen. Der Himmel reißt auf. Wie die Beine eines riesigen Insekts streifen Sonnenstrahlen über die Landschaft. Es sieht gespenstisch aus. Die grauen Berge, der schwarze Himmel, die gelben Sonnenstrahlen. Jetzt fehlt nur noch ein Yeti. Aber der kann mir auch nicht helfen. Noch 150 Höhenmeter zum Paß.

Eingefügtes Bild

Höhe 5220m. „Jia Tsuo Paß“. Temperatur –3 Grad C. Starker Wind.

Mit einer Gebetsfahne bedanke ich mich bei den Göttern für das Erreichen des Passes. Bei dem Wind wird dieser Gruß wohl recht schnell ankommen. Als Empfangsbestätigung beginnt es zu schneien. Es hat wohl nicht gereicht das die Straße die letzten Meter so steil wurde, daß ich Angst hatte mich zu überschlagen. Und das der Wind zum Sturm wurde und mit aller Macht versucht hat mich am Weiterkommen zu hindern. All dies ertrage ich, aber daß das Wasser in den Trinkflaschen gefroren ist geht doch zu weit. Ich knote ein weiteres Gebet an den Gipfelstein und warte. Na also, die Sonne kommt raus. Der Schneefall läßt nach. Am Horizont reißen die Wolken auf. Majestätisch zeigen sich die verschneiten Gipfel der Himalayariesen. Wie mit Gold bedeckt strahlen ihre Gipfel in der Sonne. Staunend stehe ich da, genieße jeden Moment.

Vergessen ist die Anstrengung und Erschöpfung. Ja, deshalb bin ich hier. Ich fühle mich wie ein König. Weit unten durchzieht ein mächtiger Fluß das Tal. Zu beiden Seiten erheben sich die Berge. Wie die Zacken eines Drachenschwanzes laufen sie dann zu allen Seiten aus. Durch die Sonne beginnen die sonst trist grauen Hänge in tausend Farben zu leuchten. Blau, Grün, Gelb, Rot, Violett. Es ist, als ob ich auf eine riesige Farbpalette schaue. Am Himmel rasen die Wolken entlang und werden vom Horizont verschluckt. Ihre Schatten bringen Leben in das Farbspiel. Verträumt bemerke ich gar nicht, daß Stephan angekommen ist. Wir essen Gipfelkekse. Es wird kälter und beginnt zu hageln. Wir ergreifen die Flucht hinunter ins Tal. In 20 Km soll ein Ort kommen – Vielleicht !

Es fängt an zu schneien…..

#2 Gast_Nutzer

Gast_Nutzer

Geschrieben 13. Juni 2010 - 11:06

Härrlisch =)

...Viereinhalb Monate und über 13000 Km...

Oh man, wie machen das immer alle? Arbeit kündigen, und weg oder was?
Und danach "mal sehn?!"
Bist schon beneidenswert :embarrest:

#3 biketourglobal

biketourglobal
  • 42 Beiträge

Geschrieben 13. Juni 2010 - 18:48

Ich war damals Student und hatte die Zeit...

Aber seit dem ich arbeite, sind die Touren auch kürzer. Siehe dazu auch meine Vietnam-Reise, Marokko-Tour und Ostafrikareise.

#4 Gast_Nutzer

Gast_Nutzer

Geschrieben 14. Juni 2010 - 10:12

Alles klar, als Student hat man ja meistens Zeit für längere Reisen... Zumindest nachm Studium.

#5 biketourglobal

biketourglobal
  • 42 Beiträge

Geschrieben 14. Juni 2010 - 11:49

;-) Das hab ich während des Studiums gemacht...

#6 Gast_Nutzer

Gast_Nutzer

Geschrieben 14. Juni 2010 - 12:15

;-) Das hab ich während des Studiums gemacht...


Damit wollte ich eigentlich nur klarstellen, dass man, wenn man arbeiten geht, relativ schlecht so lange Zeit aussetzen kann... ^^

#7 zukka

zukka
  • 1.600 Beiträge
  • WohnortCelle
  • Sport:Camping, Wandern

Geschrieben 14. Juni 2010 - 13:02

Ich hab die Zeit nichmal wärend meines Studiums (bzw. hab sie mir gegönnt)... Aber Lust hätte ich schon auf so eine längere Tour.

Die Frage die sich mir stellt, ist die Luft. Ich war bis jetzt erst einmal auf 3500m... da hatte ich mehr Kopfschmerzen als einen schönen Ausblick. Gewöhnt man sich daran/kann man das üben? Ich stelle mir jegliche körperliche und geistige Tätigkeit als Schwerstarbeit vor...

#8 Gast_Nutzer

Gast_Nutzer

Geschrieben 14. Juni 2010 - 14:08

Aklimatisieren ist da das Stichwort, denke ich. Immer erst an die Höhe gewöhnen. Ich selbst war jetzt noch nicht so hoch, aber hab schon öfters gelesen das man sich durch Bergtouren in größere Höhen zum Beispiel vorbereiten kann..
Rennt ja uach kein Mensch in 2 Tagen aufn Mt. Everest ^^
Ich glaub aber auch, dass die ganze Angelegenheit aber auch mit Vorbereitung noch extrem strapaziös ist...

#9 David

David
  • 208 Beiträge
  • WohnortSüd-West Niedersachsen, Deutschland

Geschrieben 14. Juni 2010 - 22:02

Respekt für solche Unternehmungen.

Die "dünne" Luft fängt ja bei ca. 2500 m (+ - ) an. Für untrainierte könnte die Höhe auch schon unangenehm sein. Ich als Skifahrer Neuling war zwei mal in einem Skigebiet mit max. 2700 m, also das merkt man wohl schon wenn man sonst bei unter 50 m wohnt ;-).
Auch an der Zugspitze bin ich mal gewandert, dort wohnen Bekannte von meiner Familie, die haben uns auch erst nach ein paar Tagen höher steigen lassen.
Alimatisieren, den Körper anpassen, muss man ja schon wenn man "ganz normal" weiter Weg Urlaub macht (Nahrung, Wetter,...)
Aber die Berghöhen die ich hier beschreibe, sind im Gegensatz zu dem bericht ja gar nichts. ;-)

#10 biketourglobal

biketourglobal
  • 42 Beiträge

Geschrieben 15. Juni 2010 - 07:32

Die Höhe war kein Problem und es war auch nicht anstrengender als sonst Berge hochzufahren.

Wir sind ja langsam hinaufgeradelt. Dauert ja auch ein bisschen. Zudem sind wir aus dem Tarim-Becken (-180m) bei Urümchi/China gekommen, dann durch die Takla-Maka Wüste und haben uns dann langsam in den Transhimalaya auf die große Ebene (um die 4000 - 4500 m hoch) gearbeitet. Insgesamt dauerte das schon ein paar Tage. Ich hatte aber nie Probleme mit der Höhe oder ähnlichem. Natürlich atmet man schon etwas mehr als sonst, aber auf´m Rad wars kein Problem. Habe extra nochmal im Tourbuch nachgeschaut.

Ist also alles nicht so dramatisch, wie man es eventuell im Himalaya annimmt. Kann aber auch Typabhängig sein - ich jedenfalls kann nicht klagen.




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