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Medikamente bei der Ersten Hilfe


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59 Antworten in diesem Thema

#41 northmansquest

northmansquest
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Geschrieben 24. Februar 2013 - 02:05

Das Beispiel der Unterzuckerung hinkt ebenfalls.
Niemals würde seitens geschulten Fachpersonals eine leichtfertige Insulingabe erfolgen ohne zunächst den Blutzucker zu bestimmen.
Wenn dies dennoch geschieht wurde eindeutig fern ab der eigenen Kompetenz gehandelt.


Ich sprach ja auch nicht von geschultem Fachpersonal. Mir ist auch durchaus bewusst, dass ein Ohnmachtszustand eines Diabetikers wohl eher mit Unter- statt mit Überzuckerung zu tun hat. Ich wollte mit diesem Beispiel lediglich aufzeigen, dass die Taktik " Patient liegt bewusstlos dort, ich als Ersthelfer finde bei ihm Insulin und spritze es ihm" mehr Schaden anrichtet als sie Nutzen bringt. Weil diese Taktitk ja mehrfach hier angesprochen wurde.

Gruß
Stefan

#42 Arthur

Arthur

    Odoo.tv Gründer

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Geschrieben 24. Februar 2013 - 10:40

Wenn das alles so unproblematisch ist wundere ich mich warum die Malteser darauf hinweisen, dass "Medikamente, wie z.B. Schmertabletten, die nicht für die Erste-Hilfe-Leistungen notwendig sind, gehören nicht zum Erste-Hilfe-Material und damit auch nicht in die Verbandkästen.


Ich glaube man muss hier zwei Dinge trennen:
  • Ist die Gabe von Medikamenten bei der Ersten Hilfe sinnvoll? Nein, ist sie nicht. Zum einen wirken die meisten Medikamente viel zu langsam als das sie wirklich eine schnelle Hilfe sein könnten. Zum anderen ist auch die Wirkung der meisten frei erhältlichen Medikamente so, daß sie bei lebensbedrohlichen Situationen eh keine Hilfe sind. Weniger Schmerzen ist toll, aber nur an Schmerzen stirbt man eher nicht. Ist ja auch ein Grundsatz bei der Ersten Hilfe im militärischen Bereich: Man kümmer sich zuerst um die Verletzten, die nicht mehr schreien. Wer schreit, der lebt ja schließlich noch... ^^
  • Ist die Gabe von Medikamenten bei der Ersten Hilfe strafrechtlich relevant? Hier ist die Antwort für die meisten Menschen Nein, wie ich ja oben bereits ausführte. Was anderes ist das aber bei medizinisch ausgebildeten Personal. Für Rettungssanitäter, ausgebildete Ersthelfer, Notärzte und ähnliche Personen gelten noch einmal andere Regeln (auf die ich hier jetzt aber nicht auch noch eingehen möchte).
Daher kann es durchaus sein, daß bei Erste Hilfe Lehrgängen darauf hingewiesen wird eben keine Medikamente zu geben. Eine fehlende strafrechtliche Relevanz für den Normalbürger im Rahmen der Ersten Hilfe ist dabei aber auch kein Widerspruch.

Ich wollte mit diesem Beispiel lediglich aufzeigen, dass die Taktik " Patient liegt bewusstlos dort, ich als Ersthelfer finde bei ihm Insulin und spritze es ihm" mehr Schaden anrichtet als sie Nutzen bringt. Weil diese Taktitk ja mehrfach hier angesprochen wurde.


Das ist genau das, was sich hier in der Diskussion so ein wenig vermischt. ^^ Es ist natürlich komplett falsch. Das ist aber für den Hilfeleistenden rechtlich nicht von Belang. Ähnlich ist es ja auch bei anderen Dingen, wie etwa einer Verletzung an der Wirbelsäule. Ein Ersthelfer würde einen Verletzten eventuell in die stabile Seitenlage legen, weil er das so gelernt hat. Damit sorgt er aber unter Umständen dafür, daß das Opfer danach querschnittsgelähmt ist. Tragisch, aber rechtlich ebenso nicht von Belang. Tenor der Rechtsprechung in Deutschland ist: Besser zu viel geholfen als zu wenig...

#43 Floyd

Floyd
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Geschrieben 24. Februar 2013 - 11:52

In einem lebensbedrohlichen Notfall, wo keine ausreichend schnelle Hilfe durch einen Arzt gewährleistet ist, sehe ich (persönlich) das Risiko, durch ein Medikament Schaden zu erleiden als relativ gering an im Vergleich zum Risiko, durch den vorliegenden Notfall ums Leben zu kommen.


Das ist falsch. Wir reden hier nicht von ner "harmlosen" Kopfschmerztablette. Das sind dann schon Medikamente die massiv in Körperfunktionen eingreifen. Meist sind das Medikamente die gegenteilige Wirkungen haben. Zum Beispiel erhöht Medikament A den Blutdruck und Medikament B senkt in. So da haben wir schon das erste Problem. Was geben A oder B oder vieleicht doch C weils gar nicht am Blutdruck liegt? Dann das nächste Problem wieviel? Ohne entsprechendes Hintergrundwissen ist es eigentlich eher unwahrscheinlich die richtige Dosis zu verabreichen und nicht eine Unterdosis oder noch schlimmer eine Überdosis. Die größten Überlebenschancen hat der Patient wenn man im nix gibt wenn man sich nicht auskennt. Mögliche Wechsel oder Nebenwirkungen noch nicht mal berücksichtigt.

Das Wort harmlos hab ich oben in Anführungsstriche gesetzt weil vermeintlich harmlose Medikamente auch nicht ohne sind. Leute die Paracetamol nach dem Motto "viel hilft viel" nehmen riskieren einen Leberschaden. Was besonders ärgerlich ist weil eine erhöhung der Dosis bei Paracetamol keine erhöhung der Wirkung sondern nur der Nebenwirkungen zur Folge hat. Auch wird das Medikament gern von "Selbstmördern" (also dehnen die sich eigentlich nicht umbringen wollen sondern den Selbstmordversuch als stummen Hilfeschrei nutzen wollen) benutzt in der irrigen Meinung das das nicht so gefährlich wie Schlaftabletten sei. Nur blöd das man an Leberversagen sterben kann wenn man 20 Tabletten auf einmal nimmt(vieleicht kann sich der ein oder andere daran erinnern das es vor ein paar Jahren durch die Medien ging das man die Anzahl von Tabletten pro Packung bei Paracetamol reduzieren wollte. Dies hatte genau diesen Hintergrund).

Natürlich muss auch jeder Erste-Hilfe-Ausbilder sagen, dass man als Ersthelfer keine Medikamente verabreichen darf etc. Wenn er das Gegenteil behaupten würde, wäre er ja haftbar zu machen, wenn ich dem nächsten Verletzten, den ich sehe, eine Adrenalinspritze ins Herz verabreiche und später vor Gericht aussage, dass der Ausbilder mir das so gesagt hat.

Pulp Fiction ist zwar ein geiler Film aber halt nur ein Film. Halt Fiction. Da wurden zwei Sachen aus dramaturgischen Gründen vermischt. Einmal die Gabe eines Opioidantagonist, da setzt die Wirkung wirklich schlagartig nach intravenöser Gabe ein. Durch die Aufhebung der Opiadwirkung wird der Junkie wieder fit und läuft nicht selten weg. Der kommt aber nicht weit weil der Opioidantagonist nur ein paar Minuten wirkt. Und dann die Gabe von Adrenalin was mal Mittel der Wahl bei einer Reanimation war. Die Intrakardiale Gabe ist wegen der Risiken schon lange nicht mehr üblich kommt im Film aber dramatischer. Das bekäme man über einen Tubus eh viel leichter in den Patienten. Wie gesagt bekäme, da der Trend dahin geht bei einer CPR gar keine Medikamente mehr zu geben da man erkannt hat das weder die Gabe von Natron noch die Gabe von Adrenalin die Überlebenschancen des Patienten erhöht.
Die Gabe eines unwirsamen Mittels mittels einer riskanten Dahrreichungform ist also recht blödsinnig.

Nur wenn der entsprechende Ersthelfer nicht zufällig einen Sanikoffer und seinen Schweizer- Taschen- Defibrilator am Gürtel trägt kann er in diesem Fall auch nicht helfen. Auch wenn er 1 Liter Doppelherz in den Bewusstlosen schüttet.

Ersteres ist noch nicht mal so eine schlechte Idee. Die Bereitschaft tausende Euro für ein Gerät (AED)auszugeben das man als Privatperson wohl nie benutzen wird dürfte bei selbigen zwar gegen Null gehen aber da kann man in Gegensatz zur Medikamentengabe dem Patienten nicht schaden da die Geräte Idiotensicher gebaut sind. Zweiteres ist eine nicht ganz so gute Idee. Das größte Problem das ein Bewustloser hat ist das der Schließmuskel erschlaffen kann wodurch Mageninhalt in die Luftröhre gelangen kann woran dieser dann ersticken kann. In dieser Situation ist der Versuch ein ganzen Liter einer Flüssigkeit oral zu verabreichen so ziemlich das bescheuertste was man tun könnte. Falls das wieder Erwarten doch gut gehen sollte sind die 17vol% Alkohol auch nicht besonders gesundheitsfördernt. Na war ja auch nicht ernst gemeint.

Das Beispiel mit dem Diabetiker ist sogar sehr gut. In Falle das man eine bewustlose Person auffinde gibt es eindeutig sinnvollere Tätigkeiten als dessen Taschen zu durchsuchen. Das man schon mal gar nix macht bevor man nicht den Blutzucker gemessen hat dürfte schon mal klar sein. So wenn der Patient unterzuckert ist und bei Bewustsein kann man ihm Traubenzucker geben (der einzige Fall in dem ich es als Rettungssanitäter verantworten kann etwas zu verabreichen!). Ist der bewustlos auch das nicht. Da besteht Aspirationsgefahr. Zwar nicht so drastisch bei dem Doppelherz aber die Unterzuckerung ist in dem Fall immer noch das kleine Problem.
So und was ist mit einer Überzuckerung? Selbst ein Notarzt würde in so einem Fall kein Insulin geben und dafür hat er gute Gründe. Hohe Dosen von Insulin die in diesem Fall notwendig wären haben als Nebenwirkung eine Störung des Kaliumhaushaltes und dieses Problem bekommt man präklinisch nicht in den Griff.

So nun zu dem Beispiel mit dem Asthma: Die Siuation das ein Asthmatiker nicht mehr in der Lage sein Spray selbst zu nehmen ist aber noch nicht bewustlos (in dem Fall bekommen wir eh kein Spray dahin wo es hin müste)ist sehr unwahrscheinlich. Wie sieht es jetzt mit dem Fall aus das sein Spray leer ist und wir zufällig selbst ein dabei haben? Nun est gibt allergisches und nichtallergisches Asthma. Bei ersterem haben wir es defenitiv mit einem Allergiker zu tun und beim zweiten ist die Wahrscheinlichkeit auch sehr hoch. Unter diesem Gesichtspunkt ist es nun wirklich keine gute Idee ihm irgendwelche Substanzen beizubringen.

Was mich etwas wundert das noch nicht die Frage nach einer Koniotomie mittels Taschenmesser und Kugelschreiber aufgekommen ist.

#44 Firemedic

Firemedic
  • 25 Beiträge

Geschrieben 24. Februar 2013 - 13:55

Auch wenn ich die Aussage der fehlenden strafrechtlichen Relevanz bei der Medikamentengabe durch Ersthelfer noch immer nicht teilen kann, ist diese Diskussion mal wieder ein schöner Beweis dafür, dass man kontrovers diskutieren kann, ohne die Grenzen des Respektes dem Anderen gegenüber zu verletzen. Ist ja leider grade im Internet nicht immer der Fall ...

Viele Grüße,
Firemedic

Bearbeitet von Firemedic, 24. Februar 2013 - 13:55.


#45 Johannsen

Johannsen
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Geschrieben 24. Februar 2013 - 17:25

Ich sprach ja auch nicht von geschultem Fachpersonal. Mir ist auch durchaus bewusst, dass ein Ohnmachtszustand eines Diabetikers wohl eher mit Unter- statt mit Überzuckerung zu tun hat. Ich wollte mit diesem Beispiel lediglich aufzeigen, dass die Taktik " Patient liegt bewusstlos dort, ich als Ersthelfer finde bei ihm Insulin und spritze es ihm" mehr Schaden anrichtet als sie Nutzen bringt. Weil diese Taktitk ja mehrfach hier angesprochen wurde.


Mir ging es auch darum klar zu machen, dass es maßgeblich an der individuellen Kompetenz des Helfers liegt ob eine Situation positiv oder negativ für den Verletzten ausgeht.

Wenn dies dennoch geschieht wurde eindeutig fern ab der eigenen Kompetenz gehandelt


Ich finde die Diskussion über die etwaige Gabe von Medikamenten in einer Ersten hilfe Situation irgentwie hinfällig.
Solange man nach gutem Wissen und Gewissen handelt wird es nie zu Problemen kommen!

Bei der Gabe von Medikamenten sollte immer der Grundsatz herrschen dass,
sobalt ich mir nicht zu 100% sicher bin, ich keine Medikamente verabreiche.
Nicht bei mir selber, nicht bei anderen.

Wenn ich bei einem Bewusstlosen eine Spritze finde und sie ihm einfach so verabreiche kann man doch nicht von Verantwortungsbewusstsein sprechen. Genauso verhält es sich auch mit jedwedem anderen Medikament.

Auf das wir alle gesund bleiben mögen!

#46 semaphore

semaphore
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Geschrieben 24. Februar 2013 - 21:28

Daher kann es durchaus sein, daß bei Erste Hilfe Lehrgängen darauf hingewiesen wird eben keine Medikamente zu geben. Eine fehlende strafrechtliche Relevanz für den Normalbürger im Rahmen der Ersten Hilfe ist dabei aber auch kein Widerspruch.

Zumindest kann ich sagen, dass man uns sehr eindringlich davor gewarnt hat in der ersten Hilfe Medikamente zu vergeben. Selbst wenn eine Vergabe nicht strafbar wäre (oder ist) vermute ich dass sich entsprechende Institutionen wie DRK, Malteser oder Berufsgenossenschaften, die in diesem Bereich auch nicht erst seit gestern ausbilden durchaus was denken bei ihren Empfehlungen. Diese werden im übrigen schlichtweg auf statistischen Erfahrungswerten der Vergangenheit gewonnen- sprich, in den Fällen in denen X gemacht wurde hat es mehr genutzt oder geschadet? Falls es im Schnitt mehr schadet wird es gestrichen- eine praxisnaher und recht vernünftiger Ansatz. Warum sollte ich also mich über die aus Millionen von Erste Hilfe Fällen gewonnenen Erfahrungen und daraus restultierenden Empfehlungen hinwegsetzen? Selbst wenn ich dann straffrei bleibe sehe ich dabei keinen Sinn.
Natürlich mag es immer diesen einen unter einer Million Fällen geben in denen es entgegen der Norm läuft, sich genau darauf zu berufen sehe ich etwas kritisch.

Gerade das Antibiotika Beispiel zeigt eigentlich gut das die meisten Medikamente in der Ersten Hilfe nichts bringen (Symptome treten ohnehin erst nach Stunden oder Tagen auf, Medikamente brauchen viel zu lange um zu wirken) aber das Potenzial haben den Genesungsverlauf zu stören und Komplikationen hervorrufen können.

Wenn ich bei einem Bewusstlosen eine Spritze finde und sie ihm einfach so verabreiche kann man doch nicht von Verantwortungsbewusstsein sprechen. Genauso verhält es sich auch mit jedwedem anderen Medikament.

Auf das wir alle gesund bleiben mögen!

Dem schließe ich mich doch gerne an!

#47 Saures

Saures
  • 10 Beiträge

Geschrieben 25. Februar 2013 - 17:12

Ich möchte noch hinzufügen, dass kontrolliertes Handeln in Notfallsituationen (eigene Aufregung !) für einen Untrainierten sehr schwierig ist, insbesondere wenn es sich dann noch evtl. um ein Familienmitglied handelt. Da ist die Anwendung der Stabilen Seitenlage sowie der Basismaßnahmen zur Lebensrettung glaube ich schon schwer genug. Sich auch noch Gedanken über den Grund der Bewußtlosigkeit zu machen obliegt deshalb dem erfahreneren Personal. Wenn man in Panik denkt, dass das Insulin der Mutter bestimmt hilft (die gerade einen Herzinfarkt hat) wird niemand bestraft werden. Und ich glaube auch, dass niemand diesem jemand einen Vorwurf machen würden. Das würde der dann für den Rest seines Lebens selbst tun.

In meinem Bekanntenkreis hat es nichtmal eine Apothekerin geschafft, bei ihrem eigenen Mann Reanimationsbemühungen durchzuführen, obwohl sie zumindest eine gewisse medizinische Grundausbildung genossen hatte. Die meisten sollten sich also darauf konzentrieren: Weniger ist mehr, aber das Wenige führe ich richtig durch.

Liebe Grüße

#48 Vennwanderer

Vennwanderer
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Geschrieben 25. Februar 2013 - 17:58

Ich möchte noch hinzufügen, dass kontrolliertes Handeln in Notfallsituationen (eigene Aufregung !) für einen Untrainierten sehr schwierig ist, insbesondere wenn es sich dann noch evtl. um ein Familienmitglied handelt.


Ich habe das selbst mehrfach bei den Kindern erlebt. Es ist zwar die Erwartungshaltung, dass man da emotional voll drin ist. Ich kann das aber nicht bestätigen. Ich war relativ gefasst und Herr der Lage. Gerade bei Kindern ist das wichtig. Denn wenn du unruhig bist, überträgt sich das direkt.

Man muss natürlich dazu sagen, dass nicht jeder gleich reagiert.

#49 redaums

redaums
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Geschrieben 26. Februar 2013 - 16:26

In welchem Gesetz oder in welchem Urteil steht, daß jemand, der im Rahmen einer Ersthilfe Medikamente gibt, dafür haftbar gemacht werden kann?



Strafgesetzbuch
Allgemeiner Teil (§§ 1 - 79b) 2. Abschnitt - Die Tat (§§ 13 - 37) 4. Titel - Notwehr und Notstand (§§ 32 - 35)




§ 34
Rechtfertigender Notstand



"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."

Ich arbeite seit als Narkosearzt und Notfallmediziner. Der o.g. Text ist die Basis für Medikamentengabe von Nicht-Ärzten an andere Menschen im Rahmen einer Notfallsituation. Prinzipiell ist die Medikamentengabe eine ärztliche Maßnahme, weil sie wie fast alle Behandlungen formal eine Körperverletzung darstellt, über die der Patient im Rahmen einer Nutzen-Risiko-Abwägung aufgeklärt werden muss.
Auf Deutsch bedeutet Satz 1: Wenn nur die Medikamentengabe lebensrettend ist oder schwereren Schaden vermeidet, ist die Gabe von Medikamenten nicht strafbar.
Auf Deutsch bedeutet Satz 2: Es muss das passende Medikament für die richtige Erkrankung gegeben werden, und derjenige, der das Medikament verabreicht, ist derjenige, der es in der Situation beurteilen muss. Das bedeutet: wer Medikamente gibt, muss sich damit auskennen.
Wer also LEICHTFERTIG Medikamente im Rahmen der ersten Hilfe einsetzt, auch wenn andere Mittel zum Ziel führen, und es geht etwas bei der Medikamentengabe schief, dann kann man rechtlich belangt werden. Deswegen steht es ja auch im Strafgesetzbuch.



Ein Asthmatiker, der einem anderen Asthmatiker sein Spray gibt, kennt sich ja mit seiner Erkrankung und seinen Medikamenten einigermaßen aus.
Ein Lehrer, der einem asthmakranken Kind mit verstauchtem Knöchel auf der Wanderung eine Tablette Aspirin gegen die Schmerzen gibt, weswegen das Kind einen Asthmaanfall bekommt und stirbt, kann durchaus verklagt werden.

Ich hoffe, das schafft etwas Klarheit.

Bearbeitet von redaums, 26. Februar 2013 - 16:49.


#50 Hansi_Draußen

Hansi_Draußen
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Geschrieben 26. Februar 2013 - 17:14

Ich denke, der rechtliche Aspekt wurde hier mittlerweile genügend erklärt. Dazu sollte man den Beitrag von Arthur und eventuell meinen (auf Seite 3) noch einmal lesen, darin ist alles wesentliche enthalten.
Ich weiß, die rechtliche Seite ist nicht immer leicht verständlich und oft auch nicht immer "logisch".

Der rechtfertigende Notstand ist sicher eine der Schlüsselnormen, die bei dem Problem der Medikamentengabe einschlägig sind. Aber eben bei weitem nicht die einzige Möglichkeit, nach der eine Strafbarkeit ausscheiden kann.
Vorsatztaten wie die Körperverletzung (223 StGB) scheitern meist schon, da eben kein Vorsatz beim Ersthelfer gegeben ist (bzgl. auf eine Verletzung der Person, der geholfen wird). Weitere Delikte, wie die fahrlässige Körperverletzung, scheitern entweder schon an deliktsbedingten Prüfungsschritten wie der obj. Vorhersehbarkeit bzw. Pflichtwidrigkeit oder sind eben gerechtfertigt.
Eine Rechtfertigung wird überwiegend jedoch über eine (rechtfertigende) Einwilligung, bzw. mutmaßliche Einwilligung, erfolgen. Diese ist gerade NICHT ausdrücklich im StGB normiert- § 228 StGB, der hier auch schonmal genannt wurde, ist nur ein Hinweis darauf, dass die rechtfertigende Einwilligung allgemein von der Rechtsprechung als Rechtfertigungsgrund annerkannt ist.

Selbst wenn eine Rechtfertigung abgelehnt wird, ist man noch lange nicht "am Ende" und macht sich strafbar. Im Rahmen der Schuld etwa könnte man noch wunderschön mit diversen Irrtumslehren argumentieren um dadurch ein schuldhaftes Handeln abzulehnen, was wiederum zum Entfallen der Strafbarkeit führt.
Allerdings will ich das nicht weiter ausführen, sonst wirds hier zu abgedreht und theoretisch- das gehört dann doch eher in ein Gutachten oder vor Gericht. Auch hängt das alles immer vom Einzelfall ab und kann einfach kaum pauschal beantwortet werden. Man könnte natürlich Beispiele bilden, die so oder so ausfallen. Und Sinn und Zweck hier ist ja schließlich nicht, ein Jurastudium abschließen zu können...

Trotzdem auch nochmal ganz klar:

Auch wenn Medikamentengabe in den meisten Fällen nicht zu einer Strafbarkeit führen würde, so kann ich persönlich, und sollte man allgemein, dem Erst-Helfer davon dringend abraten! Gründe dafür wurden hier auch schon mehr als genug genannt- wobei mich die medizinischen am meisten überzeugen können. Ich bin kein Arzt, noch besonders qualifiziert oder ausgebildet, also lasse ich da schön die Finger von und beschränke mich auf mir bekannte und vertraute Erste-Hilfe Maßnahmen.
Außerdem bin ich mir sicher, dass die meisten hier das auch nicht leichtfertig in einer Erste-Hilfe-Situation tun würden- da spricht einfach schon der normale Menschenverstand dagegen.




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