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5 Antworten in diesem Thema

#1 Travelmad

Travelmad
  • 836 Beiträge
  • Sport:Bogensport, Camping, Jagd, Kanusport, Klettern, Survival, Tauchen, Wandern

Geschrieben 14. Dezember 2008 - 20:32

Messerschmieden zu Hallerstein

Im Dezember 2008 habe ich mir einen lang gehegten Wunsch erfüllt. In einer alten Dorfschmiede im fränkischen Hallerstein, nahe Schwarzenbach an der Saale, habe ich einen 2tägigen Messer-schmiedekurs belegt.
Bereits im Vorfeld wusste ich, welche Klingenform es sein und welcher Messertyp entstehen sollte. Ich nutze im täglichen Gebrauch ein wirklich gutes, industriell gefertigtes Messer mit Droppointklinge dessen Nachteil jedoch darin besteht, etwa 2-3cm zu kurz zu sein. Einzig das Problem der realen Umsetzung musste nun noch gemeistert werden.
So traf ich also am frühen Freitagmorgen an der Schmiede in Hallerstein ein. Herr Neumann, wir einigten uns schnell auf`s du, also Axel, begrüßte die anderen zwei Schmiedegäste und mich herzlich. Bei einem Cappuccino wurden kurz rechtliche und organisatorische Dinge abgehandelt und dann die Theorie des Schmiedens angegangen. Wir erhielten einen Abriss über die Vorgänge auf molekularer Ebene, erfuhren etwas über Eisen und Stahl und den wichtigen Einfluss von Kraft und Wärme.
Als nächstes sprach Axel die Sicherheit und die Schutzausrüstung an, die unabwendbar sind um Unfälle bei Arbeiten in einer Schmiede zu vermeiden.
So vorbereitet betraten wir nun die Schmiede und wurde an den Werkzeugen, der Esse und den Maschinen eingewiesen. Axel ging auf das richtige Befeuern und Beschicken der Esse ein und zeigte uns ebenso die richtige Handhabung des Lufthammers mit dem recht passenden Namen „Bam Bam“.
Dann ging es an das erste Werkstück, einen Grillspieß. Wir lernten eine Schnecke zu Hämmern und eine Spitze zu fertigen. Auf Grund des weichen Materiales und der guten Anleitung gelangen hier bereits beachtliche Ergebnisse.
Jetzt begann das eigentliche Messerschmieden und wir sollten uns zunächst an einem Monostahlmesser die nötigen Fertigkeiten aneignen. Dabei wird der Rohling im gewünschten Winkel abgeflext und erhitzt. Jetzt wird das Eisen zur Klinge hin halbrund mit wuchtigen Hammerschlägen gebogen. Da hier durch im Winkel geführte Schläge das sich zur Schneide hin dann verjüngende Material ausdehnt, wird automatisch auch der Klingenrücken wieder gerade. Bald erhält man eine Klinge die dann durch gezielte Schläge ausgerichtet wird. Da ich mich für ein sogenanntes „Wikingermesser“ entschieden hatte, längte ich das Eisen an der Klinge und formte es unter Wärme zu einem rechteckigen Stab.
Diesen trennte ich dann nach ca. 35 cm ab und begann einen Ring aus dem dünneren Ende zu schmieden. Danach bog ich den Stab nach wiederholtem Erwärmen nur noch nach vorne zur Klinge hin. Wieder folgten gezielte Schläge zum Ausrichten des Werkstückes. Anschließend war schleifen angesagt. Das noch „weiche“ Eisen ließ sich recht gut schleifen und schon bald hatte ich eine relativ saubere Fläche und eine recht beachtliche Anfangsschärfe an der Klinge. Nun folgte das Veredeln zu Stahl. Das Messer wurde durchgeglüht bis die Farbe das Erreichen der notwendigen Temperatur anzeigte. Sofort folgte ein Eintauchen in ein Ölbad verbunden mit „Guten Gedanken“.
Nach einigen Minuten erfolgte das „Anlassen“. Dabei wird das Messer wieder kurz erhitzt und in Wasser abgekühlt, dieser Vorgang wurde mehrfach wiederholt.
Damit hatte die Klinge nun eine „Seele“. Aus Eisen war Stahl geworden und ich hielt nicht ohne Stolz mein erstes eigenes Messer in den Händen. Ein wuchtiges und schweres Wikingermesser das auch einem Wikingerfürsten zur Ehre gereicht hätte und zu einem von mir gesehenen Museumsmesser keine großen Unterschiede hatte. Ein nochmaliges abschließendes Schleifen beendete die Arbeiten an diesem Werkstück. Von seiner Schärfe zeugen die vielen kahlen, weil enthaarten, Stellen auf meinem Unterarm!
Bei einem deftigen Mittagessen erfuhren wir weitere interessante Details rund ums Schmieden.
Nicht ohne eine gewisse Anspannung meinerseits kam es dann zur Königsdisziplin: Damaststahl.
Zwei unterschiedliche Eisensorten wurden zu einem Fünferpaket verschweißt und sehr hoch erhitzt. Dann wurden mit Hilfe des Lufthammers diese Lagen verschmiedet und wieder etwas gelängt. Mit einem Trennhammer wird das Paket nun mittig tief eingekerbt und dann auf dem Amboss von Verunreinigungen gesäubert, mit Borax bestreut und umgeschlagen. Dieser Vorgang wiederholte sich noch drei weitere Male und so entstand ein 40 Lagen Laminatgebilde. Danach beginnt mit Erhitzen wechselseitig das in Form hämmern, bis die Klinge entsteht. Hat man nun die gewünschte Klingenform abgebildet beginnt der sehr langwierige Prozess des Schleifens. Mit immer feiner werdenden Körnungen rückt man seinem Messer zu Leibe. Hier zeigt sich dann bereits oft schon wie sauber das Verschweißen gelungen ist. Einschlüsse und Verunreinigungen werden sichtbar und können bereits schon jetzt den Erfolg oder Misserfolg bedeuten. Mit nur einem einzigen „Einschluss“, der als kleine Vertiefung nun meine Klinge als handgemachtes Unikat ausweißt, bin ich sehr zufrieden mit meiner Arbeit!
Unser Tag endete um etwa 21.00 Uhr so überraschend schnell, dass wir alle erstaunt waren, wo die Zeit geblieben war. Jeder hätte gerne freiwillig weitergemacht und noch schnell dies oder das geschliffen. Wohnen möchte ich sicher nicht in der Nähe einer solchen Schmiede, das Handwerk ist weithin gut hörbar!
Nach einer recht kurzen Nacht und einem ordentlichen Frühstück in einer nahen Pension kehrten wir zur Schmiede zurück und machten uns sofort wieder an die Arbeit. Der Feinschliff, Härten und Anlassen brauchten nochmals den ganzen Vormittag! Ich entschied mich gegen meinen ursprünglichen Plan dem Messer einen Hohlschliff zu verpassen weil für die schönere Optik eines Damastmessers ein Rundschliff die bessere Wahl darstellt. Der Vorgang des Härtens stellt den Schmied noch einmal auf eine letzte Nervenprobe. Hierbei könnten sich Schichten, die sich nicht richtig miteinander verbunden haben, durch den Temperaturschock voneinander unter lautem Knall trennen und die mehrstündige harte Arbeit doch noch ruinieren.
Beim gemeinsamen Mittagessen ging Axel einmal mehr aufs Schmieden ein. Er zeigte uns eine ganze Reihe Bücher und erläuterte uns deren Stärken und Schwächen aus seiner Sicht.
Danach folgte das finale Feinschleifen, mit dem auch die letzten Kratzer beseitigt wurden und dann erfolgte die Feinpolitur. Bereits nach dieser Politur lies sich dass Muster des Damaststahles erkennen.
Jetzt kam die Klinge in Eisenchlorid(?), um die Schichten des Damast hervorzuheben. Nach etwa 25 Minuten zelebrierten wir unter Axels kundiger Anleitung das Klarwaschen der Klinge und erreichten so das Ende das Damastschmiedevorganges. Ich hielt eine sehr würdige Damastklinge in den Händen und war und bin sehr stolz auf diese Arbeit! Leider ergab sich damit aber auch ein altes Problem. Diese Klinge ist so schön dass ich es nicht wagen werde sie zu benutzen! Als fehlen mir auch weiterhin 2-3 cm.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit einen Dreilagenstahl von Hand zu verschweißen und daraus eine weitere Klinge zu fertigen. Ich entschied mich dafür, ein kleines Norwegermesser als Brotzeitmesser herzustellen.
Bei der abschließenden Besprechung erhielt jeder Teilnehmer eine Urkunde sowie eine CD mit den Bildern, die gemacht wurden. Pflegehinweise und Tipps für ein weiteres Schmieden rundeten das positive Bild dieses Wochenendes ab. Axel fand genau den richtigen Weg zwischen selbständig arbeiten lassen, erklärend einzugreifen und stand bei Fragen jederzeit jedem Teilnehmer zur Seite.
Für diese großartige Leistung danke ich Ihm herzlich und spreche Ihm meinen hohen Respekt aus. Ich kann eine Teilnahme an seinem Kurs nur jedem schmiedewilligen wärmstens empfehlen! Den Link zu seiner Site habe ich auf meiner HP unter „Partnerseiten“ gelistet!

Gruß Travelmad

Bilder lege ich in einem Album unter Messerschmieden ab

#2 Travelmad

Travelmad
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Geschrieben 16. Dezember 2008 - 22:14

Seit heute Abend bin ich Besitzer einer selbstgebauten "Multischleifanlage" zur Herstellung der Griffe für meine Messer.

Ich habe gestern noch ein wenig telefoniert und nun befinden verschiedene Hornarten, Kirsch- und Wurzelhölzer sowie Messingklötze auf dem Weg zu mir!

Weitere Bilder wie gewohnt unter Alben, Gesamtanlage hier:

http://forum.odoo.tv...&pictureid=1060

Gruß Travelmad

Bearbeitet von Travelmad, 16. Dezember 2008 - 22:29.


#3 Gast_koffee21

Gast_koffee21

Geschrieben 18. Dezember 2008 - 13:13

So ne Messer baue ich abends am Feuer :-)


Wr nur ein Spaß!!!!

Hey sehen richtig gut aus und wer mal selbst eins geschmiedet hat, weiß auch das es richtig schwer ist.
Meiner Meinung das Schwerste, der Anschliff!!

Zeig doch mal die Klinge von dem eingepackten. Was hat der Spaß denngekostet??
Gruß

#4 Travelmad

Travelmad
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Geschrieben 18. Dezember 2008 - 16:55

Wenn du diese Messer eben mal, neben dem 4 Gänge Menu, Abends am Feuer zusammenklopfts will ich ab sofort dein Schüler werden.....:lol:

Die Bilder, auch die des Messers im "Öltuch" findest du in meinen Alben. Aber weil ich dich leiden kann und dir unnötiges Suchen ersparen möchte, bitteschön:

Das beste 40 Lagen Damastmesser das ich je geschmiedet habe:

http://forum.odoo.tv...&pictureid=1052

Gruß Travelmad

Ups, sorry, war eben wieder etwas selbstverliebt...ist immer so wenn ich diese Klinge sehe...:embarrest:

Aber, du wolltest wissen was das kostet?

Vorweg: Der Ganze Kurs dauert 2 Tage und bietet mehrere theoretische und praktische Teile! Du kekommst ausserdem 2 warme Mahlzeiten (die stören aber eher:lol:) und dabei auch einen haufen Theorie. Alles Material und Werkzeugabnutzung (z.B. Schleifscheiben) sind darin enthalten. Alles in allem habe ich für den reinen Kurs 220 € bezahlt und 25 € für Ü/F.

Ernsthaft: Ich muss sehr überlegen wo ich mein sauer verdientes Geld lasse! Aber der Kurs bei Axel ist jeden einzelnen Euro wert!

Bearbeitet von Travelmad, 18. Dezember 2008 - 17:06.


#5 Gast_Dirk

Gast_Dirk

Geschrieben 19. Dezember 2008 - 23:54

Toller Bericht. Vielleicht sollte ich sowas auch mal machen. Auf jeden Fall gratuliere ich zu dem schönen Damastmesser.


Dirk

#6 Travelmad

Travelmad
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Geschrieben 21. Dezember 2008 - 10:01

Auf jeden Fall solltest DU so etwas mal machen! Was ich mir in diesen 2 Tagen an Wissen und Können (im Rahmen meiner Möglichkeiten :lol: ) aneignen konnte ist schon großartig!

Ich kann es allen nur wirklich wärmstens empfehlen. Learning by doing in Reinkultur.

Gruß Travelmad




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